„Der Familiarity- oder Vertrautheits-Bias“
Du kaufst immer etwa dieselbe Marke Joghurt oder Pasta, oder?
Auch bei deiner Kleiderwahl oder der Entscheidung für dein nächstes Mittagessen hast du bestimmte, dir vertraute, Präferenzen. Bei der Wahl zwischen Mac oder PC bleibst du deiner favorisierten Wahl seit langem treu.
Warum halten wir so sehr am Vertrauten fest?
Vertrautheit gibt uns das Gefühl von Sicherheit. Das Unbekannte hingegen weckt oft ein gewisses Unbehagen, auch wenn es objektiv betrachtet keine echten Risiken gibt. Man verlässt sich in der Beurteilung oder bei einer Entscheidung oft auf sein Bauchgefühl ohne objektiv zu bewerten.
Funktionierendes Marketing und insbesondere Branding bauen im Kern auf genau diesem Bedürfnis auf. In der Verhaltensökonomie hat daher das Thema der Vertrautheit ein hoher Stellenwert.
Definition „Familiarity-Bias“
Der Familiarity Bias beschreibt in der Verhaltensökonomie die Tendenz, Vertrautes gegenüber Neuem zu bevorzugen, auch wenn es rational keine überzeugenden Argumente dafür gibt. Unsere Entscheidungen werden durch diese Vertrautheit verzerrt, da wir instinktiv an Bekanntem festhalten.
Der Mensch ist halt ein echtes Gewohnheitstier!
Falls du nachlesen willst, was mit Verhaltensökonomie überhaupt gemeint ist, so findest du hier einen kurzen Artikel darüber.
Der „Familiarity-Bias“ in der Praxis
🤝 Vertrautheit schafft Vertrauen: Markenwiedererkennung als Schlüssel
Im Marketing wird der Familiarity Bias gezielt genutzt, um das Vertrauen der Konsument:innen zu stärken. Wenn eine Marke immer wieder in alltäglichen Situationen auftaucht – sei es durch TV-Spots, Social-Media-Werbung oder Produktplatzierungen im Supermarkt –, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen sich für diese Marke entscheiden. Das liegt daran, dass uns bekannte Dinge sicherer und zuverlässiger erscheinen.
👁 Vertraute Gesichter in der Werbung: Prominente und Influencer
Menschen neigen dazu, Produkte zu bevorzugen, die mit bekannten Gesichtern beworben werden. Der Familiarity Bias spielt hier eine zentrale Rolle: Prominente und Influencer, die regelmässig auf Social-Media-Kanälen, in Werbeanzeigen oder im Fernsehen präsent sind, vermitteln Vertrautheit und erhöhen die Glaubwürdigkeit einer Marke.
🔁 Wiederholte Botschaften verstärken Kaufentscheidungen
Der Familiarity Bias wird im Marketing häufig durch die gezielte Wiederholung von Markenbotschaften genutzt und funktioniert daher sehr ähnlich wie dem, in der Verhaltensökonomie ebenfalls sehr relevanten, „Mere-Exposure-Effect“. Ob es sich um immer gleiche Slogans in Anzeigen oder um wiederkehrende Rabattaktionen in Newslettern oder Produkte handelt, die strategisch an gut sichtbaren Stellen im Regal platziert werden – die ständige Präsenz sorgt dafür, dass sich Konsument:innen unbewusst mit der Marke vertraut fühlen.
Empfehlungen der Verhaltensökonomie für dein Marketing
1️⃣ Baue eine konsistente Markenpräsenz auf
Entwickle ein einheitliches Corporate Design mit einem prägnanten Logo, starken Farben und visuellen Elemente oder Wordings, welche in allen Kanälen konsistent verwendet wird, um die Wiedererkennung zu fördern.
Platziere deine Marke regelmässig in den für deine Zielgruppe relevanten Medien, sei es zbsp. durch Social-Media-Postings, Werbeaktivitäten oder Sponsoring-Aktivitäten.
2️⃣ Wiederhole deine Kernbotschaften gezielt
Verwende Slogans und Claminings, die eingängig und leicht zu merken sind, und wiederhole diese in deiner Kommunikation. Nutze zusätzlich wiederkehrende Muster. Schalte Anzeigen mit ähnlichen Botschaften zu unterschiedlichen Zeiten und auf verschiedenen Plattformen, um Vertrautheit zu schaffen.
3️⃣ Platziere deine Produkte strategisch
Achte bei physischen Produkten auf die Positionierung und nutze wenn möglich gut sichtbaren Stellen, z. B. in der Mitte des Regals oder in Kassennähe. Integrieren deine Marke in alltägliche Szenen von TV-Shows, Filmen oder Social-Media-Content, sodass sie beiläufig wahrgenommen wird.
4️⃣ Setze vertraute „Gesichter“ ein
Arbeite mit Influencern oder prominenten Persönlichkeiten, die Ihre Zielgruppe kennt und schätzt, um das Vertrauen in deine Marke zu stärken. Präsentiere regelmässig echte Menschen und die Gesichter hinter deiner Marke, um Nähe und Vertrautheit zu erzeugen.
5️⃣ Regelmässige Kundenansprache ist elementar
Versende in regelmässigen Abständen Newsletter mit spannenden und zielgruppengerechten Themen oder Angeboten, die Ihre Kunden an Ihre Marke erinnern. Bleibe mit Postings, Stories und Interaktionen auch auf Social Media präsent und im Dialog, um in den Feeds deiner Zielgruppe sichtbar zu bleiben.
6️⃣ Setze auf eine langfristige Sponsoring- bzw. Kooperations-Strategie
Sponsorings auf wiederkehrenden Events machen Ihre Marke bekannt und sympathisch. Langfristige Kooperationen mit Organisationen stärken die Assoziation Ihrer Marke mit bestimmten Werten oder Themen.
7️⃣ Nutze Daten, um Wiederholungen zu optimieren
Überprüfe, welche Botschaften und Designs am häufigsten wiedererkannt und bevorzugt werden, und optimiere diese Inhalte entsprechend. Erinnere deine Kunden gezielt an Produkte, die sie sich bereits angesehen haben, und stärken so die Vertrautheit.
8️⃣ Setze auf Storytelling für eine starke emotionale Bindung
Erzähle Geschichten und berücksichtige dabei Kernwerte deiner Marke oder deinem Unternehmen, um eine emotionale Verbindung aufzubauen. Teile Erfolgsgeschichten von Kunden oder Mitarbeitenden, die mit deiner Marke interagieren, um Nähe zu schaffen.
Klassifikation des „Familiarity Bias“ nach System
Der Familiarity Bias ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie stark unsere Präferenzen von einer gewissen Vertrautheit beeinflusst werden, ohne dass wir es bewusst wahrnehmen. Im Rahmen der von Daniel Kahneman beschriebenen Denkprozesse – System 1 (intuitiv, schnell, automatisch) und System 2 (langsam, rational, überlegt) – ist der Familiarity Bias vor allem ein Produkt von System 1.
System 1 bevorzugt bekannte und vertraute Optionen, da sie als sicherer und weniger riskant empfunden werden als neu zu evaluierende Möglichkeiten. Wenn wir uns beispielsweise für ein vertrautes Produkt entscheiden, erfolgt dies oft intuitiv und ohne eine tiefere Analyse durch System 2. Selbst wenn es rationale Argumente für eine alternative Wahl gibt, bleibt System 2 häufig inaktiv, da die Vertrautheit für System 1 ausreichend überzeugend ist, um die Entscheidung vorab zu lenken.
Hier findest du einen Beitrag über die zwei Systeme nach Kahnemann.
Klassifikation des „Familiarity Bias“ nach Ressource
Der Familiarity Bias beruht gemäss den Erkenntnissen der Verhaltensökonomie auf der gezielten Nutzung der kognitiven Abkürzungen, die unser Gehirn einsetzt, um komplexe Entscheidungen zu vereinfachen. Da unsere kognitiven Ressourcen begrenzt sind, greifen wir auf Vertrautheit als Entscheidungskriterium zurück, weil sie mental weniger anstrengend ist.
Die Vertrautheit mit einer Marke oder einem Produkt vermittelt ein Gefühl von Sicherheit, das unser Gehirn als Grundlage für die Entscheidung nutzt. Dabei wird oft die eigentliche Qualität oder der Preis der möglichen Alternativen ausgeblendet. Die begrenzte kognitive Kapazität wird somit nicht in eine detaillierte Analyse investiert, sondern für den schnellen, vertrauten Weg genutzt. Der Familiarity Bias spart Zeit und Energie, führt jedoch häufig zu einer Entscheidung, die stärker von der relativen Bekanntheit als von ihrer objektiven Eignung geprägt ist.
Hier findest du einen Beitrag über die 4 Ressourcen, welche unsere Entscheidungsfindung massgeblich prägen.
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